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WK 22.09.06
Weser Kurier, Freitag, 22. September 2006, Nr. 222, Seite 35


„Der Klassenraum ist eben auch ein Stück Heimat"

 


Von unserer Mitarbeiterin
Kerstin Schnaars

BREMEN. Frühestens im kommenden Jahr soll das Unabhängige Private Gymnasium in Bremen seine Türen öffnen. Träger ist das Berufliche Bildungs-Centrum.
Auch wenn das Gebäude nicht nach ihren Plänen gebaut wird - für zehn Studenten des Masterstudiengangs Architektur und Environmental Design an der Hochschule Bremen bot das Projekt eine ausgezeichnete Gelegenheit, ein Semester lang eigene Fähigkeiten praxisnah zu testen. Die Studenten brachten Gebäudeentwürfe und Ideen zu Papier, in denen sie nicht nur architektonische, sondern auch pädagogische Aspekte einer Ganztagsschule berücksichtigten.
Immer mit einem wachsamen Auge dabei war Bauherr Holger Klüdtke, Geschäftsführer des Beruflichen Bildungs-Centrums. Er versorgte die Studenten mit Vorgaben, zum Beispiel zum Platzbedarf der Bildungseinrichtung. Ziel des Einsatzes der Studenten sei jedoch nicht der fertige Entwurf gewesen, erläutert Ingo Lütkemeyer, Professor für Architektur an der Hochschule Bremen. Vielmehr sei es darum gegangen, zunächst das Thema Ganztagsschule neu zu denken und sich zu überlegen, was man anders machen könne als bisher. Dabei beschäftigten sich die jungen Leute auch mit der Geschichte des Schulbaus.
In Hannover und Bremen besuchten sie Lehrer, kamen mit ihnen ins Gespräch und fragten nach Wünschen oder Bedürfnissen.
Einer der Studenten ist Jan Geisen. Eines sei bei diesen Vorarbeiten deutlich geworden, erinnert er sich: Gefragt seien heute vor allem Klassenräume, in denen mehr als Frontalunterricht möglich sei.
„Der Klassenraum ist eben auch ein Stück Heimat", sagt der 31-Jährige. Die Abwendung vom klassischen Frontalunterricht und die Hinwendung zu mehr Gruppenarbeit fordere räumliche Konsequenzen, ergänzt Ingo Lütkemeyer. Arbeiten mit dem Computer und Lese- oder Bücherecken machten es erforderlich, dass Klassenräume heute anders aussähen als früher.
Vor allem flexibel sollte ein Klassenraum sein, darauf legt Jan Geisen bei seinem Entwurf großen Wert. Deshalb setzt er auf schlichte Räume, die sich bei Bedarf schnell und mühelos umgestalten lassen. Vier Bauabschnitte umfasst seine Schule. Das Besondere: Jeweils zwei Jahrgänge teilen sich einen Innenhof mit verglastem Gemeinschaftsraum. Als Grundfarbe dient ein heller Grauton. Um eine gute Wärmedämmung zu gewährleisten, schlägt Jan Geisen Fertigteile aus Holz vor. Es sei nicht nur ein nachwachsender Rohstoff, sondern fördere auch die Erdverbundenheit der Schüler. Eine weitere Besonderheit des Entwurfs: Je nach Jahreszeit kann das Gebäude seine äußere Form verändern. So genannte Schwebetore aus Metallrahmen und Holzlamellen, die sich vor die Fensterfronten schieben lassen, sorgen im Sommer für Schutz vor der Sonne.
Auch Jan Geisens Kommilitonen Orhan Cilingir und Vitalij Denhof setzen bei ihrem Entwurf auf Fertigteile aus Holz. Entscheidender Unterschied: Bei ihnen gibt es vier einzelne Gebäude, die über eine Brücke miteinander verbunden sind. Im ersten Gebäude liegen Lehrerzimmer sowie die Mensa und die Schulräume für die fünfte und sechste Klasse. Die jüngeren Schüler bräuchten am meisten Unterstützung durch die Lehrer und seien deswegen im gleichen Gebäude untergebracht, erläutert Orhan Cilingir. Je älter die Kinder, desto größer sei der Abstand zwischen Mensa und Lehrerzimmer einerseits und den Klassenräumen andererseits. Zwei Klassen teilen sich die zwischen zwei Klassenräumen liegenden Lernateliers mit viel Platz für Gruppenarbeit. Hier sollen die Schüler „frei, flexibel und eigenverantwortlich" lernen können. Große Fensterflächen öffnen sich ins Grüne.
Ein Semester Zeit hatten die Studenten für ihre Arbeit. Entstanden sind acht Entwürfe für die private Ganztagsschule. Für die jungen Planer ist hier aber erst einmal Schluss. Welche und ob überhaupt ihre Ideen jemals irgendwo umgesetzt werden, ist unklar. Dennoch sind sich die Studenten einig, dass dieses Projekt „in jedem Fall etwas für die Bewerbungsmappe" sei. „Man lernt dazu und setzt sich mit einem Bauherrn auseinander", sagt Orhan Cilingir.
Was seine Studenten im nächsten Semester erwartet, weiß Professor Ingo Lütkemeyer bereits genau, möchte jedoch nicht zu viel verraten. Eines aber ist sicher: Das Gebäude, um das es dann gehen wird, existiert bereits. Es steht in Berlin und ist von Grund auf sanierungsbedürftig. Schwerpunktthema des dritten Mastersemesters ist das ökonomische und ökologische Bauen. Für die angehenden Architekten heißt es dann, ein Sanierungskonzept zu entwerfen und dabei besonders kostengünstig und energiesparend zu planen.